Goschi

Mein geliebter Hans,

Ich muss dir eine für uns beide furchtbar traurige Mitteilung machen. Ich habe in letzter Zeit große Schwierigkeiten Deinetwegen. Dazu kommen noch die Ereignisse der letzten Tage, also man zwingt mich, mich von dir scheiden zu lassen.

Du weißt doch, wie schwer mir dieser Schritt fällt, doch ich sehe keinen anderen Ausweg mehr. In Deinem Interesse und meinen Leuten zuliebe habe ich mich entschlossen, wohlgemerkt aus „Freien Stücken“ und nach reiflicher Überlegung, wo ich nicht mehr Herz, sondern Vernunft sprechen ließ.

Ich werde Samstag den 11. d.M. nach Prag kommen, um die Angelegenheit mit dir persönlich zu besprechen, da ich dir dies alles nicht schreiben kann.
Sei nicht traurig, mein armer Mann, Du hast doch das Vertrauen zu mir, daß ich immer nach meinem Gewissen handle…

Sonntag war ich in Prostějov mit dem Rad. Ich soll Dir schöne Grüße ausrichten. A. hat für Dich schon wochenlang einen Brief vorbereitet – und nicht abgesandt – das sieht ihm ähnlich. Sonst geht es ihm gut, Du kennst ihn ja.
Kann ich für eine Nacht übernachten, die letzte. Schreib mir sofort. Ich wollte schon diesen Samstag kommen, aber der Mantel ist noch immer nicht fertig und ich möchte ihn persönlich mitbringen. Bitte, erschrick nicht, wenn Du die Klage inzwischen zugestellt bekommst. Ich lebe mit meinen Erinnerungen in der Vergangenheit.
Dein letzter Brief hat mich ein bisschen geärgert. Wofür hältst du mich denn, daß mir der gewisse Herr so imponiert. Du bist auf falschem Weg, aber jede Frau ärgert sich aus Eitelkeit, wenn sie von einer anderen ausgestochen wird. Übrigens interessiert er sich, wie es sich zeigt, eigentlich für niemanden und wir auch nicht mehr für ihn. Doch diese Sache ist nicht wert, daß man überhaupt Worte darüber verliert.

Die Dir eingesandte Schrift stammt von dem Bildhauer Pelikan, also ist meines Erachtens Deine Analyse nicht ganz richtig. Deshalb habe ich sie nicht weitergegeben. – Ich danke recht schön für Dein liebes Geschenk, den hübschen Gürtel.

Ich bin sehr traurig, aber gefasst, denn von innen sagt mir eine Stimme, daß ich richtig im richtigen Augenblick gehandelt habe. Auf Wiedersehen in einer Woche.

Viele Grüße von Deiner Goschi



Wenn durch einen Menschen ein wenig mehr Liebe und Güte, ein wenig mehr Licht und Wahrheit in der Welt war, hat sein Leben einen Sinn gehabt.

Aus: P. Delp gesammelte Schriften, Band IV


Was Pater Delp geschrieben, hat mein geliebter Mann gelebt. So bleibt er uns in Erinnerung, bleibt er uns Vorbild.

Trudl (Ina) Spitzer



Auszug aus der Ansprache bei der Trauerfeier

für Dr. Hans Spitzer


Jeder Abschied schmerzt, zumal der Abschied von einem Menschen, den wir sehr geschätzt und den wir geliebt haben.

Der Trauer brauchen wir uns nicht zu schämen. Sie darf sein; ist sie doch das andere – das schmerzliche – Gesicht unserer Liebe und Zuneigung. Hoffen dürfen wir, dass es nicht das letzte und endgültige sein wird. Hoffen dürfen wir, dass das letzte Gesicht der Liebe Dank und Freude heißt.


Gut wäre es, wenn wir schon jetzt ein wenig von diesem Dank und dieser Freude empfinden könnten: Freude, dass es diesen Menschen gab, dass ihm ein reiches und erfülltes Leben geschenkt war. Freude, dass er so Vieles gab und schenkte, so dass die, die ihn kannten, sich selbst durch die Erinnerung an ihn noch beschenkt fühlen. Freude sodann in der hoffenden Zuversicht, dass sein Leben nun nicht einfach untergegangen ist, sondern dass das Beste bewahrt bleiben und eine endgültige Erfüllung finden wird.


Wenn Menschen, die sich gern haben, voneinander Abschied nehmen, sehen sie einander noch einmal tief ins Gesicht – gleichsam, um das Bild des anderen ins eigene Innere hineinzunehmen und dort zu bewahren.

Tun auch wir das nun in dieser Stunde des Abschieds von Hans Spitzer:


Das Foto von ihm, das als Sterbebild ausgewählt wurde, ist entstanden anlässlich seiner Hochzeit mit Trudl (Ina). Es zeigt einen offenen, freundlichen und gütigen Menschen, ein Gesicht mit sehr empfindsamen Zügen. So, wie das Foto ihn zeigt, war er wohl auch.


Hans Spitzer war gebildet und belesen. Seine Liebe galt der Musik, der Kunst im Allgemeinen. Dennoch hat er sich Einfachheit und Bescheidenheit bewahrt. Er konnte dankbar sein für die guten kleinen Dinge seines Lebens.


Dabei war sein Lebensweg gewiss nicht einfach. In seinem Leben spiegeln sich die Umbrüche und Katastrophen dieses Jahrhunderts. Vieles hat er verloren: Den schützenden Raum seiner Herkunftsfamilie, auch den geistigen Kosmos seiner Herkunft. Schließlich – als Folge des Krieges – die Heimat.

Karl Jaspers hat einmal gesagt: „Heimat ist dort, wo ich verstehe und verstanden werde.“ Von solcher Art war wohl auch die Beheimatung von Hans Spitzer. Musik und Kunst haben sein Leben inspiriert. Selbst inspiriert, vermochte er auch anderen Türen zu öffnen, sie zu inspirieren. Dafür waren ihm viele dankbar und darin liegt insbesondere die Fruchtbarkeit seines Lebens.

Bei aller Ernsthaftigkeit, bei aller Sorge um den Gang der Dinge in dieser Zeit war Hans Spitzer doch ein positiver, ein dem Leben verbundener Mensch, erfüllt mit Lebenswillen und Hoffnung, die sich sicher auch aus seinem Glauben speiste.


Ein Bild, das in seinem Wohnzimmer neben einer ebenfalls sehr geschätzten Madonnenstatue hängt und das er sehr geliebt hat, gibt davon vielleicht ein deutlicheres Zeugnis als alle Worte: Es zeigt vor dunklem, nächtlichem Hintergrund eine zur vollen Pracht erblühte, als Mandala stilisierte Lotosblüte. Darüber glänzt golden ein Stern …



Dieses Bild ist ein Bild über den Tod, die Hoffnung und das Leben.

Möge Hans Spitzers Leben in Ewigkeit der Lotosblume gleichen, die in der Dunkelheit der Nacht zu ihrer vollen Pracht erblüht ist.




Goschi und Hans haben in Olmütz gelebt. In den Briefen an Hans spielt das alltägliche Leben eine Rolle, ihre Besuchsreisen zu Hans, die kulturellen Inspirationen. Viele Briefe wurden mit Maschine geschrieben, nicht alle sind datiert.


Politische Aussagen sind selten und nur versteckt gemacht:

... möchte nicht konzentriert werden... sollten keine Namen mehr nennen...